Der Verabreichungsmechanismus oraler Impfstoffe dient dazu, das Antigen sowohl vor der niedrigeren pH-Umgebung als auch vor den Proteasen des Verdauungstrakts zu schützen und gleichzeitig die wirksame Freisetzung der aktiven Impfstoffkomponenten im Dünndarm sicherzustellen. Das Antigen wird von Antigen-präsentierenden Zellen – wie dendritischen Zellen (DCs) – aufgenommen, die es im Darm-assoziierten Lymphgewebe (GALT) an T-Zellen präsentieren und dadurch eine mukosale humorale und zelluläre Immunantwort auslösen. Die dendritischen Zellen wandern anschließend zu den Mesenteriallymphknoten und fördern dort die Aktivierung antigenspezifischer T- und B-Lymphozyten.
Nach der Aktivierung durchlaufen die Lymphozyten eine Phase der Proliferation und Differenzierung; die so aktivierten klonalen Lymphozyten verlassen anschließend den Mesenteriallymphknoten und dringen in den Blutkreislauf ein. Die dendritischen Zellen spielen dabei eine zentrale Rolle bei der Regulation der Expression von Homing-Molekülen auf der Oberfläche aktivierter Lymphozyten.

Sobald sie im Blutkreislauf zirkulieren, kehren die meisten aktivierten Lymphozyten zu dem Ort zurück, an dem das Antigen ursprünglich erkannt wurde. Ein Teil der Lymphozyten migriert jedoch auch in entfernte Schleimhautgewebe, also über den Ort der Antigenaufnahme hinaus. Diese Antigenaktivierung am Ort der Induktion der Immunantwort, die zur Bildung von T- und B-Effektor- und/oder Gedächtniszellen führt, die auch in entfernten Schleimhautgeweben wirksam werden, stellt die Grundlage des gemeinsamen mukosalen Immunsystems (CMIS) dar.
Aus diesem Grund können oral verabreichte Antigene auch Immunantworten in der respiratorischen Schleimhaut auslösen, wie in unserem nächsten Artikel „Orale Impfstoffe gegen Erkrankungen der Atemwege: Aktivierung des gemeinsamen mukosalen Immunsystems“ erörtert wird.

Schematische Darstellung der Aktivierung des gemeinsamen mukosalen Immunsystems durch einen oralen Impfstoff